Bohrpfropfung
Jahrelang waren die Techniken des Veredelns in der Bonsaiszene unerwünscht oder verpönt. Im Laufe der Zeit hat sich diese Einstellung jedoch geändert und viele Bonsaizüchter nutzen verschiedene Techniken, nicht nur um neue Äste zu entwickeln, sondern auch um die Struktur und die Verzweigung der Bäume zu verbessern.
Die inzwischen entwickelten Techniken können sowohl vom Profi als auch vom Amateur angewandt werden.
Eine relativ einfache Art der Veredelung, auch wenn es auf den ersten Blick kompliziert erscheint, ist die Bohrpfropfung.
In diesem konkreten Fall wird ein Reis durch ein Bohrloch quer durch den Stamm des Bonsais geführt. So kann man in wesentlich kürzerer Zeit als üblich, an gewünschter Stelle einen Ast anbringen.
Allgemeines
Es bedarf zunächst ein wenig Planung, um diese Methode durchzuführen. Ich muss die erforderlichen Reiser, die sich auf derselben Pflanze befinden, ein oder zwei Jahre wachsen lassen. D.h. sie dürfen auch bei erforderlichen Schnittmaßnahmen nicht beschnitten werden. Lediglich die Reduzierung des Laubes ist gestattet, damit die Reiser nicht übermäßiges Dickenwachstum zeigen.
Verwende ich ein Reis einer „fremden“ Pflanze derselben Art, muss diese u.U. zuvor gekauft oder vorbereitet werden. Liefert eine „Fremdpflanze“ das Reis, so ist zwingend erforderlich, dass diese Pflanze fixiert wird, um somit Erschütterungen oder Bewegungen des Reises in der Bohrung zu unterbinden.
Die Technik wendet man im Frühjahr, kurz vor Austriebsbeginn, an. Schwellen die Knospen zu stark an, könnte es schon zu spät sein, da das Reis nicht mehr durch die Bohrung geführt werden kann. Beim Durchführen des Reises ist äußerste Vorsicht geboten. Die Knospen können leicht Schaden nehmen und dann später u.U. nicht mehr austreiben.
Die Reiser sollten nicht übermäßig dick sein, da sie doch zum Teil erheblichen Verformungen ausgesetzt sind.
Durchführung
Für diese Arbeiten sollte unbedingt sauberes Werkzeug verwendet werden!
Mit einem scharfen Holzbohrer, der etwas dicker ist als das zu ablaktierende Reis, wird an entsprechender Stelle der Stamm durchbohrt. Der Bohrer sollte an der späteren Austrittsstelle des Reises, ein wenig schräg nach oben angesetzt werden. Das hat den Vorteil, dass die Bohröffnung aufgrund der Bohrrichtung einen sauberen Rand hat und sich genau an der gewünschten Stelle befindet. Außerdem kann ich den Winkel des späteren Astes so bestimmen. Gegen die Rückseite wird ein Holzstück gepresst, damit der Stamm nicht ausfranst. Ausgefranste Stellen werden mit einem scharfen Messer nachgearbeitet.
Die Reiser werden entweder bevor sie durch den Stamm geführt werden bearbeitet oder danach.
Bei der ersten Methode wird durch Biegen oder Anhalten der Reiser die spätere Stellung des neuen Astes festgelegt. Das Reis wird in dem Bereich, der sich später innerhalb des Stammes befindet, von der Rinde und der Kambiumschicht befreit.
Danach wird das Reis vorsichtig durch die Bohrung geführt. Es ist darauf zu achten, dass die Knospen des Reises nicht beschädigt werden.
Ganz wichtig !!
Die Kambiumschichten von Reis und Unterlage sollten anschließend direkt aneinander liegen.
Das Reis muss anschließend unbedingt fixiert werden! - Jede Bewegung des Reises im Bohrloch würde das Anwachsen verhindern. So werden die Reiser mit kleinen Holzkeilen in der Bohrung verkeilt.
Überstehende Keile werden mit der Konkavzange bündig abgeschnitten. Danach wird an beiden Öffnungen Wundverschlussmittel angebracht. Ein zusätzliches Drahten des Reises kann weitere Stabilität bringen und richtet außerdem das Reis für die künftige Wuchsrichtung aus. Die Knospen am hinteren Teil des Reises werden entfernt, damit die Wüchsigkeit sich ausschließlich auf das Vorderteil konzentriert.
Damit Unterlage und Reis besser und schneller zusammen wachsen, sollte in den nächsten zwei Jahren nicht geschnitten werden.
Ab dem dritten Jahr kann der neue Ast wie jeder andere Ast bearbeitet werden.
Die zweite Möglichkeit sieht wie folgt aus:
Das Reis wird ohne zuvor bearbeitet zu werden durch die Bohrung geführt. Es wird ein Stück weiter als erforderlich durch das Loch gezogen. Wenn keine helfende Hand zur Seite steht, fixiere ich das Reis mit einem kleinen Keil in der Bohrung. Ein aufgrund der Spannung mögliches Zurückschnellen des Reises ist nun nicht mehr möglich.
Danach wird das Reis direkt hinter der Austrittsstelle von Rinde und Kambium befreit. Dann wird der Keil wieder gelöst und das Reis kann nun in die endgültige Position zurück geschoben werden.Es wird soweit geschoben, bis sich die Kambiumschichten von Reis und Unterlage berühren. Anschließend wird mit der Nachsorge genau so verfahren, wie oben bereits beschrieben.
Wenn der neue Ast an der Austrittsstelle dicker ist, als auf der Seite wo er eingeführt worden ist, kann er abgetrennt werden.
Gruß
Josef